· 

Zeit mit Wasser

Ich bin ein Angsthase, wenn es um die Begegnung mit Hunden geht. Die Hündin Luna hatte ich mir in meiner Phantasie daher groß und gefährlich vorgestellt. Stattdessen reicht mir die Hündin Luna nur bis zu den Knien. Bei meinem ersten Besuch im März hat sie noch nicht einmal gebellt als ich das große alte Landhaus von Martin und Tatjana betrete. Das Haus am alten Finowkanal wurde  bereits 1879 von der Wasser- und Schiffahrtsbehörde gebaut. Seitdem wird es ständig erweitert und ausgebaut.


Luna ist sechs Jahre alt und eine Hütehundin. „Sie gehört zur Rasse der Tornjak“ erzählt mir Tatjana bei meinem zweiten Besuch. Sie hat ihre geliebte Hündin aus einer rumänischen Tötungsstation befreit.

Luna ist ein wichtiges Mitglied der Familie, schließlich bewacht sie alles. So gehört sich das für eine Hütehündin.

 

Seit 2010 lebt das gemütliche Pärchen Martin und Tatjana auf dieser Halbinsel. Für Naturliebhaberinnen und Naturliebhaber wie sie gibt es keinen schöneren Ort als hier am alten Finowkanal zu leben, umgeben von alten Kastanien, einer Vielfalt von Pflanzen und einem ohrenbetäubend schönem Orchester von Vogelstimmen: Sperling, Eisvogel, diverse Meisen, Grünfink, Buntspecht, Kleber... Auf ihrer Website listen sie rund 30 Vogeltypen auf. Seitdem die beiden auf dem Fensterbrett Nüsse aufgestellt haben, ist das Küchenfenster zum Flughafen geworden für eine Vielzahl dieser Vögel.

 

„Zeit mit Wasser“ heißt ihre Website. Sie vermieten zwei große Ferienwohnungen in ihrem Haus, beide liebevoll gestaltet. Vom Fachmann. Denn Martin ist Künstler, Bilderhauer und kann handwerklich alles, was man können muss, um so ein altes Haus umzubauen und neu zu gestalten, Wänder hochziehen, neue Böden verlegen, Badezimmer einrichten.

 

Seitdem beide aus dem "offiziellen" Erwerbsleben ausgestiegen sind, engagiert er sich im Gemeinderat. Und zwar bei der Neugestaltung des Friedhofs.

"Es wird höchste Zeit, dass man sich mal neue Gedanken macht. Viele wollen doch gar nicht mehr christlich beerdigt werden. Da muss einiges neu gedacht werden", erzählt er bei meinem zweiten Besuch im Mai. Beim ersten Besuch hat es in Strömen geregnet und ich bin lange herumgeirrt bis ich dieses Idyll endlich gefunden hatte. Eigentlich ist es sehr einfach. Von Eberswalde aus radelt man rund 11 Kilometer den sogenannten Treidelweg entlang und kommt dann nach Niederfinow. Das Schiffshebewerk ist natürlich ein touristischer Hotspot. Aber auf ihrer Halbinsel hört und sieht man nichts von den Menschenmassen und der Ballung von Autos und Morrädern.

 

Beim zweiten Besuch regnet es nicht, aber es ist kalt und windig. Tatjana reicht mir eine Jacke und deckt vorher den Tisch unter den Kastanien mit Blick auf den Kanal mit reichlich wunderbarem Essen: Salat, rote Beete, Käse, Brot. Manchmal ziehen Paddler an uns vorbei und grüßen uns. Hier braucht man wirklich keinen Fernseher. Die Ferienwohnungen haben jedenfalls keinen.

 

Jahrzehntelang hat Tatjana in der klinischen Forschung gearbeitet, jetzt genießt sie ihren neuen Lebensabschnitt nach der Erwerbsarbeitszeit. Und der richtige Ort für diese Lebenszeit ist natürlich ein Plätzchen in der Natur. "Der Mensch hält sich für die Krönung der Schöpfung und für den Mittelpunkt der Welt. Ist er aber nicht."

Martin erzählt mir, dass der Finowkanal schon 400 Jahre alt ist und die älteste Wasserstraße in Deutschland. Und gegenüber, auf der anderen Seite des Kanals, sollen wieder Moore entstehen. Moore, habe ich vor vielen Jahren einmal gelernt, sind große Helfer beim Klimaschutz. In meiner Zeit als Mitarbeiteiterin der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde durfte ich einmal eine Pressereise organisieren. Fünf Stunden sind wir durch brandenburgische Moore gelaufen - angeführt von der Expertin für Feuchtgebiete der Eberswalder Hochschule und einigen Studierenden der grünsten Hochschule Deutschlands. Seit 2010 weiß ich: Wir brauchen mehr Moore!

Nun ja, das kann dauern. Und was das dann genau für das Idyll von Martin und Frank bedeutet? Schwer zu sagen.

 

Nach zwei Stunden verabschiede ich mich. Auch natürlich auch von Luna.

Eine Familie ist in einer der Ferienwohnungen untergebracht.

Ein Vater mit zwei kleinen Kindern und seinen Eltern.

Als sich die Kinder auf Fahrrädern nähern, muss Luna natürlich bellen. Aber sie dann wird dann ganz schnell ganz leise und als ich wieder abfahre, liegt die Hündin glückselig auf dem Rücken, streckt die Beinchen nach oben, die Kinder kraueln den Bauch vom Hütehund. Und das Paradies ist perfekt.

 

https://pirolgbr.de/

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0